Dienstag, 13. Oktober 2009 um 14:37
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Mittwoch, 12. März 2014 um 14:29
Bonusmeilen / Männer
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Wieso?
Mein "Werdegang"
Eigentlich oder wahrscheinlich alles sehr klassisch. In dem Beitrag zur Bisexualität ("Schubladen") kann ich fast alles bejahen. Ich wage sogar die Hypothese, meine Geschichte ist sehr häufig. In so fern bietet sie für die Meisten hier bestimmt nix neues oder interessantes. Es sind eher die Fragen, die daraus entstehen, die mich interessieren (aber das ist ein anderer Beitrag). Nichtsdestotrotz, tut es mir persönlich gut, sie auszusprechen, und vielleicht hilft sie anderen mit ähnlichen Geschichten. Alleine damit muß man ja nicht bleiben.
Angefangen hat sie in der Schulzeit, in der Oberstufe. Feiern mit Freunden, Alkohol, Übernachtung bei einem Kumpel, er übernahm die Initiative, wir landeten im Bett zusammen. Es folgten 2-3 Wiederholungen. Wir waren Hormon- beladene Jugendliche, es hatte nichts mit Liebe zu tun. Interessanterweise stellte sich die Frage, „bin ich nun schwul?“, eigentlich nie. Daß ich emotional und ästhetisch auf Frauen stand stellte ich überhaupt nicht in Frage (habe sogar kaum darüber nachgedacht); aber die Erotik unter Männern war etwas fast selbstverständliches und eigentlich schön (darüber hatte ich doch viel nachgedacht). Lediglich die gesellschaftliche Inakzeptanz führte bei mir zur größten Zurückhaltung und Unsicherheit. Aufgrund dieser Unsicherheit sowie meiner eigenen Schüchternheit mußte der Kumpel immer die Initiative ergreifen und es verlief sich dann schnell und (leider) wortlos.
Es folgte dann Jahre (Jahrzehnte!) des heterosexuellen Lebens. Freundinnen, Rumtreiben, Ausbildung, frühzeitig geheiratet und Kinder bekommen, Arbeit, Scheidung, zweite Frau… Das „Übliche“ halt. Zwar immer wieder Fantasien der gleichgeschlechtlichen Erotik, beflügelt durch die Erinnerungen und Begegnungen mit Schwulen, Lesben und Bisexuellen. Aber ich fühlte mich eigentlich nie wirklich emotional zu Männern hingezogen und durch die (heterosexuellen) Beziehungen und Unerfahrenheit wußte ich nicht, wie man(n) eine Affäre mit einem anderen Mann initiiert. Also blieb es sehr lange bei der reinen Vorstellung.
Irgendwann dann aber ließ mich der Gedanke einer sexuellen Affäre mit einem Mann nicht mehr los. Die ersten vorsichtigen Versuche vor mehreren Jahren verliefen sich schnell im Sande (Zeitungsannoncen, die ersten Internetseiten, Besuch in einer „bekannten“ Kneipe: [Mann-o-Mann müßte das den anderen offensichtlich gewesen sein ). Ich lebte bereits mit meiner jetzigen Frau zusammen, so daß die Möglichkeiten sehr begrenzt waren (sind sie immer noch). Aber damit hatte ich offensichtlich die Lust, Neigung und Intention deutlich zugegeben und den Weg geöffnet.
Vor ein paar Jahren fand dann doch eine erste Begegnung statt (Antwort auf eine Zeitungsannonce – also aktiv danach gesucht, blieb bei klassischem One-Night-Stand). Ich zitterte vor dem Treffen am ganzen Leib; der Nachmittag war jedoch wunderschön (ein sehr rücksichtsvoller, einfühlsamer und aktiver Mann; bin ihm noch heute sehr dankbar; hätte sonst alles anders kommen können). Am interessantesten fand ich aber meine innere Reaktion danach. Ich erwartete das große schlechte Gewissen meiner Frau gegenüber, das aber null aufkam. Was bei einer heterosexuellen Affäre (erfahrungsgemäß) gänzlich anders gewesen wäre. Also bei der eigenen Psychologie doch was völlig anderes, getrenntes und „unabhängiges“. Auch die „Selbstverständlichkeit“ von Sex mit einem Mann war geblieben; kein Gefühl des „Verbotenen“ oder „Unnormalen“. Für mich persönlich, bezüglich der eigenen Orientierung, ein eindeutiges Zeichen.
Seit dem habe ich in den letzten Jahren einige gleichgeschlechtliche Begegnungen genießen können (fast alle über Internetkontakte; also auch aktiv gesucht). Dadurch spielt das reine „Ausprobieren wollen“ nun weniger eine Rolle und das Anerkennen meiner eigenen sexuellen Orientierung und Leidenschaft ist keine Frage mehr. Allerdings gibt es auch keine Frage mehr des Leugnens oder Unterdrückens des „Habenwollens“. Das Wollen, meine Bisexualität auszuleben, ist eindeutig. Das ist eher schwierig. Leider ging kaum eine der Affären länger; die Geheimnistuerei und Zeitmangel aufgrund Familie, Beruf und Umfeld (bin in der Stadt nicht gänzlich unbekannt) ist da nicht dienlich und soweit für ein Coming Out bin ich noch nicht. Ich habe mein Bi- Dasein bei meiner Frau durchaus angesprochen – mehrmals, werde aber ganz deutlich abgeblockt (ein Thema für sich).
Ohne es im Augenblick weiter auszuführen, bevorzuge ich zwar meine Liebesbeziehungen noch eindeutig mit Frauen. Fühle mich aber zunehmend von Männern „physisch“ angezogen (wobei das Definitionssache ist: bei mir spielt da selten Aussehen und fast immer die Person eine Rolle). ONS's für reinen Sex finde ich jedoch ziemlich langweilig; „lockere“ Begegnungen, wo das Zwischenmenschliche auch eine Rolle spielt, sind allerdings rar. Also bleibe ich noch bei dem Wunsch eines „Lovers“ nebenbei. Was danach kommt, wird bestimmt kompliziert, ich stelle mich ihm aber. Die Frage, wie dies sich alles auf meine jetzige (heterosexuelle) Beziehung auswirkt, wird allerdings dringlicher. Die emotionale Trennung ist zwar nach wie vor eindeutig und (beinah) absolut, so daß meine Bisexualität sich nicht auf meine Liebe auswirkt. Aber selbstverständlich wirkt sie auf meine und dadurch unsere Sexualität. Das Verstecken und die damit verbundene eigentliche Unehrlichkeit (wobei ich darauf achte, nicht zu lügen) wirkt ebenfalls auf die Beziehung (wenn nicht auf meine Gefühle). Wie oben gesagt, ist das Thema eines weiteren Beitrags. Ich bin lediglich jetzt neugierig, wie die Themen „Closet-Bi“ und „Untreue“ auf dieser Seite ankommen. Bisher sind meine Erfahrungen negativ.
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