Fake- Check: 1 FV LLL'ler hat   als echten User eingestuft.
 
Geschrieben von Hermes  
Montag, 19. Dezember 2011 um 21:42
Letzte Aktualisierung
Freitag, 6. Mai 2022 um 22:57

Bonusmeilen / Männer

Entdecke dich selbst! Liebe dich und deine Nächsten!

Alles hätte so einfach sein können.
Aber, wie so viele, wählte ich einen seltsam steinigen Weg.

Schon während meiner Pubertät hatte ich sexuelle Fantasien mit Gleichaltrigen in meiner Umgebung - Jungs und Mädchen. Es blieb sehr lange beim Kopfkino.

Im November 1989 begann meine Beziehung zu meiner Frau. Ich war damals 19 Jahre alt. Sie ist zwei Jahre jünger und wir lernten uns zufällig über meine vorherige Freundin kennen.

Am Anfang unserer Freundschaft dachte ich erstmals bewusst über die eigene Sexualität nach.
Wollte ich mich wirklich auf das Heteromodell einlassen?
Was war denn mit den homosexuellen Gedanken?

Es kam zu/p meinem ersten kleinen Outing, weil ich mich mit einem guten Freund darüber unterhalten wollte, meine Gedanken ordnen, Klarheit erlangen, kurz: Meine Schublade finden!

Meine Freundin bekam mit, dass ich mich mit ihm treffen wollte und fragte harmlos nach, ob sie mitkommen dürfe. Wir waren oft mit einigen Freunden unterwegs. Mir wäre es unangenehm gewesen sie abzuweisen, unangenehmer als, dass sie bei dem Gespräch zugegen war.
So kam es, dass wir an dem Abend den Tresenlesern (Jochen Malmsheimer und Frank Goosen) zu dritt lauschten. Anschließend saßen wir fröhlich an der Theke. Nach einiger Zeit drängte der Grund unserer Zusammenkunft in mir an die Oberfläche. Ich schaute die beiden ernst an und meinte: "Ich muss euch was sagen; ich glaub' ich bin schwul!"
Peng, es war ausgesprochen.
Unser Freund wurde ganz still, so dass ich mich genötigt fühlte ihm zu erklären, ich wolle nichts Sexuelles von ihm; nur drüber reden. Meine Freundin antwortete spontan, "Ach, höchstens bi." Und da löste sich der Knoten.
Wir gingen zwar nicht weiter auf das Thema ein. Aber ich fühlte mich wohl bei den beiden in dieser Situation. Der Abend verlief weiter wie viele andere zuvor.

Unsere Beziehung entwickelte sich, wurde intensiver. Ich schritt voran in der hetero-normativen Welt. Wir heirateten 1998, schmiedeten Familienpläne und waren glücklich.

Aber die Geschichte war noch nicht beendet.
Einer unserer Freunde eroberte sich einen Platz in meinem Herzen. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht mehr greifen.

Ich gestand meiner Frau, dass ich mich von ihm angezogen fühlte. Sie war in dem Moment unglaublich eifersüchtig und verletzt. Sie war dermaßen aufbrausend, dass wir lange Zeit nicht mehr über meine sexuelle Ausrichtung sprachen.

Und kurz darauf gestand ich es ihm. Er war erstaunt, reagierte aber ganz ruhig. Er erklärte mir, dass er heterosexuell sei und kein Interesse an Bettgeschichten mit mir habe. Obwohl unser Kontakt bald darauf etwas einschlief, zähle ich ihn weiterhin zu meinen engen Freunden, mit denen ich über alles reden kann.

Es vergingen ein oder zwei Jahre bis in 2001 unser Sohn geboren wurde. Zwei Jahre darauf bekamen wir unsere Tochter. Beide sind unsere Wunschkinder.

Irgendwann in 2004/2005 spürte ich eine innere Anspannung und Unruhe, die ich mir damals zunächst mit Überarbeitung erklärte.

Als ich die Symptome bemerkte, wollte ich dagegen etwas unternehmen. Bei meiner Suche nach Ausgleich entdeckte ich Aikido für mich. Darüber lernte ich die Grundzüge des Autogenen Trainings kennen. Beides linderte die Symptome ein wenig.

Aber es brodelte weiterhin in mir. Die Auswirkungen zeigten sich in meinem Umgang mit anderen Menschen, über die ich oft ungerechtfertigt urteilte. Einiges von dem sinnbildlich zerschlagenen Porzellan kehre ich noch heute auf.

Eines Dienstagabends im März 2007 stritt ich mit einem Arbeitskollegen über ein Thema, an das ich mich schon garnicht mehr erinnern kann. Er warf mir in unserem Streitgespräch irgendeinen Satz an den Kopf, der mich tief im Inneren traf. Vollkommen verunsichert setzte ich mich ins Auto und machte mich auf den Weg nach Hause. Unterwegs kamen mir Gedanken an Selbstmord.

Ich fragte mich, ob ich das wirklich wollte, ohrfeigte mich innerlich und rief mir zu, dass es wohl noch genug gäbe, für das zu leben sich lohne.
Noch aufgewühlt, aber entschlossen, fuhr ich zu einem sehr guten Freund. Mit ihm konnte ich besprechen, was mich gerade bewegte.

Es reifte in mir die Überlegung, etwas in meinem Leben zu verändern. Die Fragen drängten sich förmlich auf:
Wo stehe ich?
Was soll in meinem Leben noch passieren?
Wo will ich hin?

Ich bat meine Frau für das folgende Wochenende um ein Gespräch. Sie ging auf meinen Wunsch ein. In diesem Gespräch warf ich die Fragen auf und erläuterte ihr meine Antworten, die ich teilweise in den Tagen vor diesem Gespräch fand und teilweise während des Gesprächs entdeckte. Aus meinem anfänglichen Monolog wurde ein intensiver Dialog und mein drittes Outing gegenüber meiner Frau.

Wir waren beide relativ entspannt. Mir war, neben anderen Punkten, wichtig, dass ich auch mit einem Mann schlafen wollte. Meine Frau reagierte unglaublich offen und gab mir die erforderliche Freiheit.

Kurz darauf lernte ich über ein Internetforum einen Mann kennen, der sich mehrmals mit mir traf. Er ist selbst verheiratet, war jedoch damals bei seiner Frau noch nicht geoutet. Wir experimentierten mit unserer Sexualität und lernten gemeinsam andere Männer kennen.

Meine Frau kämpfte in dieser Experimentierphase gegen ihre Ängste.
Was wäre gewesen, wenn ich sie mit den Kindern allein gelassen hätte, weil ich mit einem Kerl durchgebrannt wäre?

Im Oktober 2007 lernte ich einen Mann kennen zu dem ich fast sofort ein besonderes Verhältnis hatte. Es sollte noch bis in den März 2008 dauern bis wir uns unsere gegenseitige Liebe eingestanden. Seitdem sind wir Partner.

Ein wunderbares Erlebnis war für mich als sich im Sommer darauf meine Frau und mein Partner endlich kennen lernten. In ihrer Unterschiedlichkeit haben sie erstaunlich viele Gemeinsamkeiten, die mir erst bei diesem Treffen wirklich bewusst wurden - Beruf, Sport, Gesang, soziales Engagement, ...

All diese Entwicklungen haben mich im Laufe der vergangenen Jahre meine innere Ruhe wiederfinden lassen, die ich sehr genieße. Diese Ruhe bringe ich auch in meine Beziehungen mit ein.

Ich finde es täglich spannend, was Liebe bewirken kann.

Meine Frau hat mittlerweile meine sexuelle Orientierung vollkommen akzeptiert. Sie hat mich 2010 zur CSD-Parade in Köln begleitet und kennt einige Non-Heterosexuelle aus meinem neu gewonnenen Freundeskreis, wodurch sie bestätigt bekam, dass nicht nur ihr Mann bi- bzw. pansexuell ist.
Ihre Offenheit und Kraft zum Loslassen hat mich das alles erleben lassen.

Ich danke dir!

Kurzlink: lilelu.de/!3913
Fen   |20.12.2011; 10:29:36
 
Fake- Check: 2 FV LLL'ler haben Fen  als echten User eingestuft.
 
Danke für den Eindruck den du in dein Leben gewährst.
Hermes   |18.03.2012; 00:06:37
 
Fake- Check: 1 FV LLL'ler hat Hermes  als echten User eingestuft.
 
Hallo ria,

zunächst benutzte ich selbstverständlich den Begriff "bisexuell", um meine sexuelle Identität zu bezeichnen.

Irgendwann lernte ich einige Transgender kennen. Anfänglich irritierte mich, dass ich in meiner bis dahin binären Geschlechtergedankenwelt keine passende Schublade für Personen fand, deren Eigenidentifikation von ihren körperlichen Geschlechtsmerkmalen abwich.

Das erste Mal stolperte ich über die Bezeichnung "pansexual" in Minx' Blog "Polyamory Weekly - Responsible non-monogamy from a kink-friendly, pansexual point of view" (http://polyweekly.com/).
Das Blog kann ich jedem empfehlen, der glaubt Amerikaner wären prüde. Für mich war es ein Augenöffner.

Jedenfalls wurde ich neugierig und forschte nach der Bedeutung von "pansexuell". Und ich fand heraus, dass der Begriff meine Gefühlswelt gut beschreibt.

Ich bin bisexuell, im Sinne dessen, dass ich mich nicht nur zu einem Geschlecht hingezogen fühle, sondern meine sexuelle Neigung zwischen den Polen "homosexuell" und "heterosexuell" liegt, also prinzipiell beide Neigungen in mir vereint sind.

Ich bin pansexuell, im Sinne dessen, dass ich mittlerweile mehr als die beiden Geschlechter "männlich" und "weiblich" kennen lernen durfte und die körperlichen Geschlechtsmerkmale für mich einzig die sexuellen Möglichkeiten definieren. Für die Sympathie, bis hin zur sexuellen Anziehung, ist mir mein Gegenüber insgesamt wichtig, mit einem Schwerpunkt auf die Persönlichkeit.


LG
Hermes

Letzte Aktualisierung ( Freitag, 6. Mai 2022 um 22:57 )
 
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