Geschrieben von War mal da, jetzt wieder weg...  
Mittwoch, 21. Mai 2014 um 22:47
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2001

Hallo ;-)

Was habt ihr 2001 gemacht? Also ich hab zum ersten Mal bewusst für eine Frau geschwärmt. Ich bin ja neu hier und hoffe ihr wollt mich kennen lernen. Mir fällt es schwer zu schreiben "ich bin hier weil..", denn dass ich mich nun hier angemeldet habe ist die Summe des Erlebten und meiner sexuellen Orientierung "geschuldet". Deshalb schreib ich euch einfach wie das alles so war bei mir, ich denke das ist am sinnvollsten. Und es wird ja keiner zum Lesen gezwungen ;-) Alles auf einmal zu Schreiben, würde jetzt echt zu lange dauern und wäre auch langwierig zu lesen, deshalb fang ich einfach vorne an und schreib, sicher nicht jeden Abend wg. Zeitmangel, ein bisschen weiter.


Und "Vorne" ist 2001

 

Die Sommerferien sind gerade rum und ich habe meinen ersten Tag auf dem Gymnasium. Nachdem ich in der Fünften ein Jahr eine katholische Mädchenschule besucht hatte, hielt man es für besser mich auf eine „normale“ Schule mit gemischten Geschlechtern zu geben und erstmal Realschule machen zu lassen. Es war auch besser Ich habe schon immer lieber mit Jungs gespielt, die waren unkomplizierter. Na ja.. bis zur Pubertät jedenfalls. Und wenn du ein Jahr nur Schlaghosentragende und „Lemmon Tree“ hörende gackernde Hühner um dich hast und selbst noch gar nicht bereit für die Welt der Mode und Nagellackschattierungen bist, dann ist das echt grausam. Realschule wurde abgehakt unter „schlimmste Zeit nach der schlimmsten Zeit im Leben“ und ich stand da nun 2001 vor einem Neuanfang.

Mit knallroten Haaren und einem T-Shirt auf dessen Rücken „Montags könnt ich kotzen“ stand. Hatte ich nicht gesehen, als ich es aus dem Kleiderschrank meines damaligen Freundes total verschlafen rausgefischt hatte, dachte es wäre weiß. Und als ich so stand, 5 min. vor Schulbeginn, eine rauchte und meinen Kaffee-to-go trank, wurde ich von meinen neuen Mitschülern bereits gedanklich in alle möglichen Schubladen verteilt. „Punk“, „typisch Realschüler“, „wird’s eh nicht schaffen“ waren die harmloseren. Immerhin hatten einige die Freundlichkeit Mitleid zu empfinden und mir zu sagen: „Es tut mir leid, aber ich glaube du stehst hier falsch, zur …schule geht es da lang[...]“. Ich hab „danke“ gesagt und meinen Kaffee getrunken.

Ihr müsst verstehen, es war eine Schule, wo eher Kinder hingingen, die, na ja, zu Höherem bestimmt waren. Ich will das auch nicht verurteilen, die meisten haben das auch geschafft. Alles in einer kleinen hessischen Kreisstadt und die Schüler aus den umliegenden Käffern. Da war ich schon eher eine „Exotin“ und die Reaktion nachvollziehbar. Nicht verständlich, aber nachvollziehbar.

Es war auch amüsant- lustig zu sehen, wie blöd einige nachher geschaut haben, als ich in die Klasse kam. Ja doch.. ein paar innere Schnappschüsse bringen mich heute noch zum Grinsen

Jedenfalls stand ich da so und auf einmal kam schnurstracks eine Frau auf mich zu. Einfach „wow“.. Anfang/Mitte dreißig, natürliches mittelbraunes langes Haar, zu einem chaotischen Pferdeschwanz gebunden. Grau-blaue Augen. Blümchenkleid, das irgendwas zwischen Hipp und Flohmarktfund war und sie roch nach „Urlaub“... Diese Mischung aus Sonnencreme, Jil Sander und eigenem Schweiß. „Hallo! Auf dem Schulgelände ist Rauchen verboten. Für Schulfremde sowieso. Geh' bitte nach da drüben.“ Sie zeigte auf die Hecke vor dem Parkplatz nebenan. „OK, mach ich (Grinsen der vorbeilaufenden Perlenohrringe kassiert...), aber ich bin nicht schulfremd, sondern Schülerin hier – seit heute[…]“ Kurzer Moment der runden Augen, dann: „Achso, du bist neu… dann herzlich willkommen! Ich bin Frau M. die Religionslehrerin und hab auch meinen ersten Tag. Komm lass uns zusammen da rüber gehen,ja?!“ Ich: „..ja klar, gerne!“ (Den Perlenohrringen fiel alles aus dem Gesicht )

„Hast du mal Feuer..?“

Und zack.. ich war entflammt. Das Lustige war, sie war vorher auch an einem katholischen Mädcheninternat angestellt. Sie hat nicht das Adjektiv „schrecklich“ verwendet, aber als sie sagte, sie hätte es an der Zeit gefunden sich „umzuorientieren..“ und dabei dieses schön ironische Marry-Poppins-Lächeln zeigte, hatte ich verstanden. Von dem Moment bis zum Abitur war ich absolut in sie verknallt. Hab Reli sogar mündlich als Wahlfach genommen, mit „sehr gut“. Sie war einfach authentisch, tolerant, und so... mutig unkonventionell. Z.B. fuhr sie die nächsten Ferien alleine nach Thailand nur mit Rucksack und ist da durch Käffer und Djungel gestiefelt drei Wochen, ohne Reservierungen und einem Plan (sie war so chaotisch wie ihr Pferdeschwanz..) und hat das geschafft. „Als Frau alleine in Thailand“ fand ich unheimlich aufregend damals. Sie hat sogar einen Buddah durch den Zoll geschmuggelt Natürlich hetero…glaub ich... ich hab sie nie gefragt. Was aber auch daran lag, dass ich meine eigene Sexualität da nie hinterfragt habe, es ist eben wie es ist. (Hätte auch die Illusion kaputt gemacht, denke ich) Ich fand es ok für eine Frau zu Schwärmen und dieses Kribbeln im Bauch und die Vorfreude auf die 45 min. einmal die Woche… toll. Dafür ist die Jugend da denke ich. Heute muss immer alles Sinn ergeben, damals nicht.

Tja und das war der Anfang 2001

Danke an alle tapfer-ausdauernden Leser

Kurzlink: lilelu.de/!10305

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